Die Quelle der Existenz: Leseprobe II

Eine alte Fehde, zwischen zwei verfeindeten Gemeinden.
Ein dunkler Fluch, der ihre Existenz gefährdet.
Eine entzweite Familie, dazu gezwungen, einander zu hassen.
Und zwei Herzen, mit der Bestimmung, sie alle zu erlösen.

 

Auszug aus Kapitel I: Die neuen Nachbarn

Jetzt waren alle im Haus, dennoch rückte meine sogenannte Erlösung in weite Ferne:
Die Tochter der Hansons war am Tisch sitzengeblieben. Erst jetzt hatte ich sie richtig bemerkt. Ich sah in ihre Richtung und versuchte unauffällig, sie zu mustern. Sie saß genau am anderen Ende des langen Tisches und wirkte sichtlich gelangweilt.
Sie betrachtete ihre knallrot lackierten Fingernägel und schenkte mir keinerlei Beachtung. Ihr rotbraunes Haar war lang und glatt. Es glänzte und schimmerte in der Sonne als wäre es von unzähligen kleinen Diamanten besetzt. Obwohl sie so weit von mir entfernt saß, war das auffällige Grün ihrer Augen nicht zu verkennen. Ihre feinen und femininen Gesichtszüge erinnerten an die einer Puppe und kleine niedliche Sommersprossen tanzten über ihr ganzes Gesicht.
Sie war die Schönheit in Person! Ich hätte ihr mit meinem strohigen, dunklen Haar und meinem durchschnittlichen Gesicht niemals das Wasser reichen können. Eine ganze Weile lang herrschte Schweigen. Wir hörten nur das Rascheln der Baumkronen, wenn der turbulente Spätsommerwind sie zum Tanzen brachte. Irgendwo weit weg in den tiefen Gräsern der Felder summten Insekten. Ab und an warf die Tochter der Hansons mir einen arroganten, aber auch neugierigen Blick zu. Ansonsten beachtete sie mich nicht weiter, als wollte sie mir um jeden Preis weißmachen, dass sie sich nicht im Geringsten für mich interessierte. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, ihre Fingernägel zu begutachten, mit einer ihrer langen Haarsträhnen oder an dem Amulett, das um ihren schmalen Hals hing, herumzuspielen. An einer antikgoldenen Kette baumelte ein Stein in der Form eines Tropfens, der ebenfalls so grün strahlte wie ihre Augen. Doch es war ein anderes Grün. Intensiver und – einfach anders. Er war unbeschreiblich hypnotisierend und es fiel mir ungewöhnlich schwer, meinen Blick wieder von ihm zu wenden. Sein seltsam grünliches Schimmern zog mich unerklärlicherweise wie magisch an. Fast ununterbrochen betrachtete ich dieses Amulett, einem inneren Urinstinkt folgend, der mir kaum eine Wahl ließ. Ich schüttelte den Kopf und zwang mich selbst, mich zusammenzureißen.
Die Tochter der Hansons spielte ihre Rolle gut, wirkte tatsächlich abwesend und desinteressiert und doch merkte ich ihr an, dass es vor Neugier nur so in ihr sprudelte.
Die Stille wurde zunehmend unangenehmer. Da sie zu stolz schien, mich anzusprechen, entschloss ich mich dazu, die Initiative zu ergreifen und das erdrückende, peinliche Schweigen zu brechen. Was hatte ich schon zu verlieren? Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.
„Ich bin Stacy“, stotterte ich.
Ich war nervös und ohnehin nicht gerade der kontaktfreudigste oder selbstsicherste Mensch. Sie grinste und lachte laut auf. Dabei warf sie ihr glänzendes Haar nach hinten und zupfte sich vornehm das Kleid zu Recht.
„Anastaaasia“, griente sie langgezogen und verfiel kurz darauf wieder in spöttisches Gelächter. Sie nannte mich bei meinem richtigen Namen. Ich hasste es, wenn das jemand tat. Ihr Lachen war nicht freundlich oder fröhlich und es kam sicher nicht von Herzen. Es entsprang etwas Anderem – etwas Bösem und Finsterem und es klang fies und spöttisch. Auch wenn mir nicht nach neuen Bekanntschaften war, es wäre vielleicht durchaus hilfreich gewesen, an meinem ersten Schultag wenigstens eine Person zu kennen und nicht als vollkommener Außenseiter dazustehen. Doch diese Hoffnung in mir wurde nun vom Klang ihres fiesen Gelächters erstickt.
„Meine Freunde nennen mich Stacy. Eigentlich nennt mich fast niemand Anastasia.“
Vielleicht konnte ich ja noch etwas retten, indem ich ihr zeigte, dass ich wirklich Interesse daran hatte, sie kennenzulernen (oder indem ich zumindest so tat als ob). Sie hob die Brauen und schüttelte langsam den Kopf. Dabei musterte sie mich abschätzig. Neben diesem Spott und der Anzüglichkeit, spiegelte der Ausdruck in ihrem Gesicht gleichzeitig eine unbeschreibliche Art von Wut wieder. Regungslos saß sie da und sah mich an, mit giftigen, hasserfüllten Augen. Ihr Blick durchbohrte mich und fühlte sich an wie ein dumpfer, scharfer Messerstich. Ein kalter Schauer überzog meinen Nacken und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Sie musste mich nur ansehen und ich wusste, dass sie mich hasste. Worte waren nicht nötig, denn der Ausdruck in ihren Augen verriet es mir.
Ich kannte dieses Mädchen nicht und doch schmerzte es. Es tat weh, dass man in eine neue Stadt zog, in der man niemanden kannte und die erste, um die man sich kennenzulernen bemühte, einen von Grund auf zu hassen schien. Einfach so, ohne mir auch nur den Hauch einer Chance gegeben zu haben. Woher stammten ihre Abneigung und ihr Hass mir gegenüber? Und warum zur Hölle wurde ich das Gefühl nicht los, dass ihr schwer fiel, meine Nähe zu ertragen? Ich blickte ihr schweigend und fragend entgegen bis sich ihre versteinerte, hassverzerrte Miene schließlich löste und sie sich endlich wieder zu Wort meldete.
„Nun, ich zähle aber nicht zu deinen Freunden.“, erklärte sie mit finsterer Miene. Der Kloß in meinem Hals ließ mich fast ersticken. Am liebsten wäre ich davongerannt, um mich irgendwo dorthin zu verschanzen, wo ich mich ungestört hätte ausheulen können. Doch das kam nicht in Frage. Die Hansons würden es sicherlich als unhöflich auffassen, ließe ich ihre Tochter hier allein zurück. Meine Mum hätte dann einen Grund mich vollzumeckern und ihre schlechte Laune an mir auszulassen und den Gefallen wollte ich ihr nicht tun. Also blieb ich sitzen und versuchte, die brennenden Tränen zu unterdrücken, die mir nun in die Augen stiegen.
„Jetzt guck doch nicht so“, jammerte die Tochter der Hansons mit gespieltem Mitleid. Ihr schönes, zierliches Gesicht verzog sich zu einer hinterhältigen, schadenfreudigen Fratze.
„Du brauchst hier doch gar keine Freunde. Du gehörst doch in Wirklichkeit gar nicht den Konservativen an, oder?“
Sie stand auf und wandte sich von mir ab, womit sie mir bedeutete, dass das Gespräch hiermit für sie beendet war. Ungeduldig und mit zugleich gelangweilt als auch genervt verschränkten Armen blickte sie zur Terrassentür. Konservativ? Wovon redete sie da? Warum um alles in der Welt sollte ich konservativ sein, bloß weil ich auf der Suche nach Freunden war? Das war doch etwas ganz Natürliches, in Anbetracht dessen, dass ich neu in dieser Stadt war, oder etwa nicht?

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Der spannende Auftakt einer Fantasy-Familiensaga

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Bild von Irina Gromovataya auf Pixabay
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