Die Quelle der Existenz: Leseprobe I

Eine alte Fehde, zwischen zwei verfeindeten Gemeinden.
Ein dunkler Fluch, der ihre Existenz gefährdet.
Eine entzweite Familie, dazu gezwungen, einander zu hassen.
Und zwei Herzen, mit der Bestimmung, sie alle zu erlösen.

 

Auszug aus Kapitel I: Die neuen Nachbarn

„Willst du dich nicht zu uns setzen?“, fragte meine Mum, was ihrem Tonfall zufolge eher nach einem Befehl als nach einer Frage klang. Als sie feststellte, dass ich nicht reagierte, gab sie ein langgezogenes, genervtes Stöhnen von sich.
„Die Hansons würden dich gern kennenlernen, und der Sonnenuntergang ist einfach herrlich. Du kannst dich nicht auf ewig hier oben verkriechen.“
„Nein danke. Den Sonnenuntergang kann man von hier oben aus viel besser beobachten.“
Ich gab vor, mich wieder interessiert meiner Lektüre zu widmen. Währenddessen spürte ich ihren hartnäckigen Blick auf mir, doch ich gab nicht nach. Eine Weile blieb sie noch im Türrahmen stehen, bis sie schließlich kapitulierte. Mit demonstrativ wütenden Schritten stieg sie die Treppen hinab. Jeder ihrer Schritte erzeugte ein ohrenbetäubendes Knarren.
Ich schmiss das Buch zurück in den Karton, ließ mich wieder auf der Fensterbank nieder und sah aus dem Fenster. Unser Garten grenzte direkt an einen Wald. Dahinter erstreckte sich eine weitläufige Wiese, die bis hin zum Horizont reichte und wahrscheinlich noch weiter. Links vom Wald befand sich auf einem Hügel die Stadt.
Der spitze Kirchturm ragte aus dem Meer von Dächern empor und bildete somit das höchste Gebäude. Hochhäuser und Wolkenkratzer waren für die Longforder vermutlich Fremdwörter. Birmingham war so weit weg von hier.
Diese Erkenntnis lastete schwer auf mir und drückte wie ein schmerzhafter Knoten in meinem Bauch. Toni sprang zu mir herauf und machte es sich auf meinem Schoß gemütlich. Mit seinen sonst so großen, gelbgrünen Katzenaugen sah er mich müde an. Sein Blick war trüb und gelangweilt. Ich schaute ihm entgegen und für einen Augenblick glaubte ich, dasselbe zu fühlen wie er. Sicherlich hatte er auch schreckliches Heimweh.
Meine Eltern, mein Bruder und die Hansons schienen sich prächtig zu amüsieren. Mr und Mrs Hanson versuchten gerade, meinen Bruder davon zu überzeugen, was für eine interessante und besondere Stadt Longford doch sei und erzählten ihm von ihrer Gründung:
„Longford existiert bereits seit dem Jahre 1567. Es waren drei Gründerfamilien, die hierherkamen, mit der Absicht, eine Stadt der ganz besonderen Art zu errichten. Familie McCollin, Familie Sawyer und die Andersons.“
Den letzten Familiennamen sprach Mr Hanson sehr langsam und behutsam aus. Als könnte dessen lautes Aussprechen irgendetwas Schlimmes heraufbeschwören.
„Doch es gab damals viele Neider. Man gönnte den Gründerfamilien und ihrer kleinen Gemeinde ihr Glück nicht. Außenstehende erkannten, dass diese Stadt etwas Besonderes war und wollten sie zerstören. Die ursprüngliche Gründergegend wurde also in Flammen gesetzt, mit der Begründung, es handle sich hierbei um eine Stadt voll von Hexen und dunkler Magie. In den weiteren Jahrhunderten wurde der Bau der Stadt auf den Hügel verlegt, da die Einwohner damals glaubten, die Gegend der Ursprungsgründung sei aufgrund der ehemaligen Hexenverbrennungen verflucht. Also verließen die Einwohner diese Gegend, und erst als die Erzählungen über den Fluch, der über sie lasten sollte, wieder in Vergessenheit geriet, wurde sie erneut besiedelt. Trotzdem gehört das Gebiet, auf dem wir nun leben, heute immer noch der Stadt Longford an.“ Mr Hanson erzählte diese Geschichte, als läse er aus einem Märchenbuch vor. Ich fragte mich, ob er tatsächlich daran glaubte, dass er meinen Bruder damit beeindrucken konnte.
„Kurz vor der Stadt befindet sich die Saint McSawyerson High School. Sie wurde damals von den drei Gründerfamilien gegründet, wie man übrigens auch am Namen erkennen kann. Diese besuchen vor allem diejenigen, die ein wenig außerhalb der Stadt leben, so wie Lena und Tom und so wie du und deine Schwester“, begann Mrs Hanson dann. Alles, was sie danach noch erzählte, blendete ich bewusst aus. Bei dem Gedanken, in ein paar Tagen wieder zur Schule gehen zu müssen, und dazu auch noch in eine, in der ich keine Menschenseele kannte, wurde ich stocksteif. Ein neues Leben beginnen, sagten meine Eltern, in einer neuen Stadt, in einer neuen Schule und einer neuen Umgebung. Das war im Moment das aller letzte, was ich wollte. Ich verspürte kein Verlangen danach, neue Freundschaften zu schließen. Doch mein Leben in Birmingham war vorbei, endgültig, und früher oder später hatte ich diese schmerzlich, widerstrebende Wahrheit zu akzeptieren.

 

Hier weiterlesen:

Der spannende Auftakt einer Fantasy-Familiensaga

Hier geht es zum Buch

Weitere Leseproben:

Der spannende Auftakt einer Fantasy-Familiensaga 📚 

Bild von Mystic Art Design auf Pixabay
No Comments Yet

Leave a Reply

Your email address will not be published.