Traumdeutung Prüfung: Du musst den Schmerz durchleben, erst dann wird er fortgehen

Kurzroman: Bitte gib mir meine Erinnerung zurück!

Auszug aus Kapitel 6 – Der zweite Traum

„Und, bereust du es?“, fragte eine Stimme. Ich öffnete die Augen. Meine Sicht war verschwommen und ich richtete mich unsicher auf. „Ich hatte dich gewarnt, aber du wolltest ja nicht hören.“
„Wer spricht da?“, wollte ich wissen. Keine Antwort. Ich rieb mir die Augen und erkannte eine kleine, fragile Gestalt auf mich zusteuern. Ihre Bewegungen waren langsam und langgezogen, als wollte sie unser Aufeinandertreffen hinauszögern. Alles um mich herum war dunkel, als befände ich mich in einem unendlich großen dunklen und leeren Raum, in dem es nichts weiter gab, außer dieser seltsamen Gestalt und mir. Da war bloß ein kleines schwaches, flackerndes Licht über mir. Eine nackte Glühbirne hing an der Decke. Sie baumelte auf unheimliche Weise hin und her, als hätte ihr erst vor wenigen Augenblicken jemand einen Stoß versetzt.
„Du siehst verdammt scheiße aus!“ Erschrocken blickte ich wieder von der Glühbirne weg, in die Richtung, aus der die Stimme kam. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und trat automatisch einen Schritt nach hinten. Ich verlor das Gleichgewicht, taumelte rückwärts und fiel auf den Hintern. Vor Schreck riss ich die Augen weit auf.
Diese fürchterliche Hexe aus meinem letzten Traum stand vor mir! Dieses Gesicht würde ich unter Tausenden wiedererkennen. Die zerfurchte mit Narben und Warzen übersäte Haut, das aschgraue und verfilzte Haar und dieses Grinsen! Die Hexe trat einen Schritt näher und ragte nun direkt über mir. Hämisch fing sie zu lachen an und entblößte dabei unregelmäßige, schiefe und dunkle Zähne. Mit ausgestrecktem Finger sagte sie:
„Du bereust es! Natürlich tust du das! Andernfalls wärst du nicht wieder hier bei mir gelandet. Einen ganz schönen Schlamassel hast du dir da eingebrockt, mein Kind! Aber du wolltest meinen Rat ja nicht befolgen. Und das, obwohl ich doch deine gute Fee bin!“ Auf einmal begann ich mich wieder richtig an meinen letzten Traum zu erinnern.
Jetzt sah ich die Kulisse und die Bilder des Traums wieder ganz klar und deutlich vor mir. Der mich verschlingende Boden, der Rauch, das Feuer. Das Horrorgerüst mit den Fotos von diesem Christian Stark und mir…
„Du musst den Schmerz in seiner vollen Inbrunst und Erbarmungslosigkeit durchleben und ihn verarbeiten, erst dann wird er fortgehen“, erinnerte ich mich laut an die Worte der Hexe, die sich als meine gute Fee ausgegeben hatte.
„Ganz genau“, sagte die Hexe. „Doch stattdessen, wolltest du dich aus der Affäre ziehen und dachtest, den Schmerz loszuwerden, indem ich dir deine Erinnerung einfach nehme, wäre ein besserer Weg! Doch jetzt hast du eingesehen, dass ich Recht hatte, deshalb bist du nun ein zweites Mal hier bei mir gelandet!“ Die Hexe stützte sich mit der einen Hand an ihrem dünnen, unebenen Krückstock ab und mit der anderen an ihrer rechten Flanke. Selbstgefällig sah sie zu mir hinab. Und in genau diesem Moment gefror mir das Blut in den Adern, denn mir wurde klar, wer die Schuld an meinem schrecklichen Schicksal trug… […]

Bitte gib mir meine Erinnerung zurück!

Ein Roman, der dich verstehen lassen wird, dass alles, was dir bisher im Leben widerfahren ist, von großer Bedeutsamkeit ist – denn jede Erfahrung, ob gut oder schlecht, macht aus dir diesen einen wunderbaren einzigartigen Menschen, der du heute bist.

 

Weitere Leseproben:

Erfahrungen sammeln: Warum uns bestimmte Dinge widerfahren

Nicht alles lässt sich in Worte kleiden 

Die Wahrheit – obgleich der Schein etwas Anderes sagt 

Der Schmerz muss angenommen und durchlebt werden – Auszug aus Kapitel 1 – Der erste Traum

Erinnerungsverlust: Die Erinnerung ist ein Teil von dir – Auszug aus Kapitel 2 – Wer ist Christian Stark?

Augen: Spiegel der Seele – Schicksal und Herausforderung – Auszug aus Kapitel 3 – Die vertrauten Augen

Erinnerungsverlust: Alles hat seinen Grund – Auszug aus Kapitel 4 – Die verlorene Erinnerung

Erinnerung löschen: Warum jede Erinnerung wichtig für uns ist – Auszug aus Kapitel 5 – Schreibblockade

 

 

Bild von Rogier Hoekstra auf Pixabay
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