Erinnerungsverlust: Alles hat seinen Grund

Kurzroman: Bitte gib mir meine Erinnerung zurück!

Auszug aus Kapitel 4 – Die verlorene Erinnerung

„War das mal ein Geschenk von Christian an dich oder was soll das sein?“, fragte Tobi, als ich den beiden das mysteriöse Fläschchen hinhielt.
„Ich weiß weder was das hier ist, noch weiß ich, wer dieser Christian ist“, erklärte ich geradezu.
„Was redest du da, Ella…“ Katrin ließ sich erschöpft auf der Bordsteinkante nieder und rieb sich das Gesicht, als hätte sie einen anstrengenden Tag hinter sich. „Ich kann ja nachvollziehen, dass das ´ne ziemlich schwierige Situation für dich sein muss. Richard hat mit dir Schluss gemacht und Christian ist jetzt allen Ernstes mit dem Giftzwerg zusammen. Und die Trennung von Christian hast du noch lange nicht verarbeitet, weil… weil er sich wie ein verdammter Arsch aufgeführt hat… und du bis heute diese Alpträume hast. Aber das, was du hier gerade veranstaltest, geht wirklich zu weit. Was soll diese bescheuerte Flasche und warum behauptest du, du wüsstest nicht, wer Christian ist? Langsam ist dein Verhalten echt unheimlich!“
„Guck´s dir selbst an!“, entgegnete ich gereizt und überreichte ihr die Flasche. „Schau, was drinnen ist! Das ist unheimlich – nicht ich! Gestern Morgen bin ich schweißgebadet aus einem Alptraum aufgewacht und fand diese Flasche hier auf. Ich las den Namen Christian Stark, doch ich wusste nicht, um wen es sich dabei handelt. Dann schien plötzlich jeder diesen Namen zu erwähnen und ich wusste immer noch nicht, von wem die Rede war. Ich konnte mir das nicht erklären und hegte bereits den Verdacht, ihr hättet euch alle zusammengetan, um mir einen Streich zu spielen. Doch als ich diesen Christian dann sah, wusste ich, dass es sich gar nicht um einen Streich handeln kann. Ich habe es gespürt. Irgendetwas ganz Schräges und Seltsames passiert hier und ich glaube mittlerweile, das hat alles etwas mit meinem Traum von gestern Nacht zu tun.“ Während ich redete, inspizierte Katrin das Fläschchen in ihrer Hand. Als ich fertig war, blickte sie mit gerunzelter Stirn zu mir auf.
„Ella, die Flasche ist leer. Das einzige, was hier schräg und seltsam ist, bist du. Offensichtlich hast du zu viel getrunken.“ Sie seufzte angestrengt und rieb sich wieder das Gesicht. „Leute, ich bin raus. Ich bin müde.“ Gähnend erhob sie sich von der Bordsteinkante und warf das Fläschchen zu mir zurück. Als sie begann sich schläfrig wie eine Katze zu strecken – vollkommen unberührt von meiner Geschichte -, begann ich vor lauter Hilflosigkeit in Hysterie zu verfallen. „Warum nimmst du mich nicht ernst? Warum glaubst du mir nicht?“, kreischte ich mit vibrierender Stimme.
„Schrei mich nicht an und reg dich ab!“, gab sie zurück.
„Ich kann mich nicht abregen, wenn du mich nicht einmal ernst nimmst! Als meine beste Freundin solltest du dich für das interessieren, was ich dir zu erzählen habe, mir glauben und mir beistehen!“ Voller Zorn und mit wütenden Gebärden um mich schlagend schrie ich auf Katrin ein, wobei sich der gesamte Inhalt meiner Handtasche auf der Straße verteilte.
„Ich habe dir die ganze Zeit über beigestanden, Ella. Schon all die Nächte vergessen, in denen ich bei dir war und dich getröstet habe? Seit mehr als einem verdammten halben Jahr haben wir für dich auf fast jede Party verzichtet, weil du Angst hattest, Christian wiederzubegegnen! Und jetzt machst du mich hier an wegen irgendeiner kranken Geschichte, die ich dir nicht abkaufe?“ Katrin war so wütend, dass ihr bereits Tränen in den Augen standen. Ich wusste nicht, wovon sie da sprach. Ich konnte mich weder an irgendwelche Nächte erinnern, in denen sie mich getröstet hatte, noch daran, dass ich der Grund dafür war, warum wir solange nicht mehr aus gewesen waren. Aber ich ging davon aus, dass das, was sie erzählte, stimmte. Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich brachte keinen Ton mehr heraus.
„Tobi, kümmer´ du dich um sie. Ich hab´ dafür heute echt keinen Nerv mehr“, wandte Katrin sich an Tobi. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, machte sie sich auf den Heimweg. Ungläubig starrte ich ihr hinterher und sah anschließend zu Tobi rüber. Er war gerade dabei, den zerstreuten Inhalt meiner Tasche wieder einzusammeln.
„Komm, ich bring dich nach Haus.“, sagte er dann nur und hakte seinen Arm bei mir ein. Den ganzen Nachhauseweg über hatten wir nicht mehr über diesen mysteriösen Christian oder über das seltsame Fläschchen oder über das, was sich am heutigen Abend abgespielt hatte, gesprochen. Ich wagte es gar nicht erst, dieses Thema noch einmal anzuschneiden, aus Angst mich zu guter Letzt auch noch mit Tobi zu zerstreiten. Stattdessen versuchte er mich aufzuheitern, indem er irgendwelche schlechten Witze erzählte. Tatsächlich konnte er mir hin und wieder ein Lächeln entlocken, doch das eher aus Verzweiflung. An unserer Haustür angelangt, bedankte ich mich bei ihm für seine Gesellschaft, er gab mir zum Abschied eine feste Umarmung und einen Kuss auf die Stirn.
„Das wird schon alles wieder“, versuchte er mich aufzumuntern. Er lächelte mich an, doch im Schimmern seiner Augen erkannte ich tiefstes Mitleid und Verwirrung.
Ohne mich bettfertig zu machen, legte ich mich hin und ließ meine Gedanken rotieren. Seit gestern Morgen – seitdem ich dieses mysteriöse Fläschchen aufgefunden hatte -, geriet alles aus dem Ruder. Ich hatte gegen eine meiner Grundprinzipien verstoßen und auf exzessive und unangemessene Art und Weise mit einem anderen Kerl getanzt, worauf mein Freund mit mir Schluss gemacht hat. Ich hatte eine krasse Auseinandersetzung mit meiner besten Freundin gehabt, die sonst immer zu mir hielt und jetzt wahrscheinlich stinksauer auf mich war, da ich sie für einen für sie unverständlichen Grund total angeschnauzt hatte. Und zu allem Überfluss hielt mein bester Freund mich höchstwahrscheinlich für übergeschnappt. Ich selbst war bereits an dem Punkt angelangt, mich zu fragen, ob ich womöglich verrückt geworden war. Fieberhaft versuchte ich mich wiederholt an den Traum von vergangener Nacht zu erinnern, doch ich konnte bloß verschwommene fragmentartige Bilder erfassen. […]

Bitte gib mir meine Erinnerung zurück!

Ein Roman, der dich verstehen lassen wird, dass alles, was dir bisher im Leben widerfahren ist, von großer Bedeutsamkeit ist – denn jede Erfahrung, ob gut oder schlecht, macht aus dir diesen einen wunderbaren einzigartigen Menschen, der du heute bist.

 

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Nicht alles lässt sich in Worte kleiden 

Die Wahrheit – obgleich der Schein etwas Anderes sagt 

Der Schmerz muss angenommen und durchlebt werden – Auszug aus Kapitel 1 – Der erste Traum

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Bild von ReLea auf Pixabay
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