Wie jeden Morgen erwachte Bauer Johann bereits vor Einbruch der Dunkelheit. Frau und Kinder verweilten noch in tiefem Schlaf. Das Dorf ruhte und ein undurchlässiger Nebel umhüllte es friedlich und sanft. An jenem Morgen jedoch, machte Bauer Johann sich nicht an die gewohnte Arbeit. Heute würde er zum Handeln auf den Markt in die Stadt fahren. Beim Aufstehen knarrten seine Knochen, Kopf und Gliederschmerzen plagten ihn und es fühlte sich an, als wollte ihn eine Tonnenschwere Last wieder zurück ins Bett zerren. Dennoch freute Bauer Johann sich auf die Stadt – keine harte Arbeit auf dem Feld, keine Rückenschmerzen am Abend und keine dreckigen, zerfurchten und aufgerissenen Hände. Er zog sich das feinste Hemd über, sattelte sein Pferd und verstaute seine paar harterarbeiteten und ersparten Münzen sicher in der Tasche. Viel würde er für diese wenigen Groschen nicht erhalten, doch irgendetwas von Nützlichkeit für die Familie würde er schon aushandeln. Zwar hätte er das Geld viel lieber für etwas Anderes ausgegeben, doch er hatte sich nun mal an seine Pflichten zu halten.

Der Wald roch nach Tannen und Kiefern, friedlich ruhte auch er noch, bevor die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erklommen. Auf dem langen Weg in die Stadt machte Bauer Johann sich, wie in jeder freien Minute, Gedanken über die ungerechte Fügung seines Schicksals. Er verfluchte sein armes, bescheidenes Bauernleben und träumte von fernen Reichtümern und Schätzen. Warum war ihm nicht ein einziges Mal im Leben ein wenig Glück vergönnt? Er fühlte sich wie auserwählt, das Leben eines Pechvogels zu führen.  Seit er denken konnte, schuftete er Tag für Tag, Stunde um Stunde und all das ohne ersichtliches Ziel, ohne einen besonderen Fortschritt, ohne jegliche Gegenleistung…

Plötzlich vernahm der Bauer Kampfschreie und Klingenstöße von aufeinandertreffenden Schwertern. Das unruhige Viewern eines Pferdes und das schmerzliche Kreischen eines Mannes ließen ihn erschrocken zusammenfahren. Bauer Johann wollte nicht tatenlos zusehen, doch der dichte Nebel ließ ihn nur wenig erkennen. Vorsichtig tastete er sich voran, bis er einen verletzten Ritter am Boden entdeckte. Ein anderer Mann von scheinbar sehr hohem Stand saß auf einem Schimmel. Sein Schwert hatte er verloren, es lag einige Meter entfernt im Gras. Sein Gegner, mit schadenfreudigem, gierigem Grinsen schwang angriffslustig das Schwert und holte gerade zum Angriff ein. Einem inneren Urinstinkt folgend, ritt Bauer Johann auf ihn zu und überwältigte ihn, bevor die Klinge des Gauners die Kehle des Adeligen durchschnitt. Der Gauner fiel zu Boden, Bauer Johann hatte dem Adeligen das Leben gerettet.  Beide verharrten in Reglosigkeit, erholten sich erst einmal von dem Schock, als sich unerwartet der verletzte Ritter zu Wort meldete:
„Du hast meinem Herrn das Leben gerettet, du bist ein Ehrenmann“, sagte er mit zittriger, brüchiger Stimme. Sein Atem ging unregelmäßig und schwer, ihm blieben nur noch wenige Sekunden.
„Das hätte jeder getan.“, entgegnete Bauer Johann bescheiden, obgleich er der Aussage des Ritters innerlich zustimmte.
„Wo ich gescheitert bin, hat er obsiegt. Oh Herr, Ihr müsst ihn belohnen“, sprach der Ritter zu seinem Herrn. Dieser stieg von seinem Ross ab und beugte sich über seinen treuen Diener, der für ihn das eigene Leben riskiert hatte.
„Ihr müsst den Bauern belohnen!“, wiederholte der Ritter. Sie blickten einander unverwandt in die Augen, bis der Kopf des Ritters sich leblos zur Seite drehte. Ein leidender Ausdruck huschte über das Gesicht des Adeligen und ein intensiver, ergreifender Moment verstrich.
„Mein treuer Gefährte, du gabst dein Leben für mich! Ich ertrage das nicht länger. All meine Lieben zum Tode verurteilt und das alles bloß wegen meines Reichtums. Zum Teufel mit dem vielen Geld!“, klagte der Adelige. Bauer Johann beobachtete ihn, sein prunkvolles, glänzendes Gewand aus edlem Kaschmir, sein glitzerndes mit Diamanten besetztes Schwert und nicht zu vergessen den vielen Schmuck. Sogar einen eigenen Leibwächter konnte er sich leisten. Augenblicklich verfluchte Bauer Johann sein armes Leben mehr denn je. Er vermochte nicht zu verstehen, warum der Adelige derart wegen des Verlusts eines Bediensteten litt, weshalb er seinem Reichtum die Schuld daran gab. Reichtum war doch das schönste Geschenk, das höchste Glück, das ein Mensch genießen konnte, oder etwa nicht? Bauer Johann war zornig über die törichte Denkweise des Adeligen.
„Mit Verlaub, edler Herr, wie könnt Ihr so etwas nur sagen? Scheinbar seid Ihr euch eures Glückes gar nicht bewusst und wisst es nicht ehrwürdig zu schätzen. Ich würde sofort mit Euch tauschen, wenn ich nur könnte.“
„Dann tauscht mit mir, na los, ich bitte drum!“, schrie der reiche Mann. Er nahm sein Gewand ab und schleuderte es dem Bauern entgegen.
„Nehmt mein Gewand, mein Geld und meine Ringe!“ Der Adelige schmiss mit dem Schmuck und den goldenen Münzen um sich wie ein Übergeschnappter.
„Der barmherzige Gott soll euch Eure Undankbarkeit vergeben!“, stieß Bauer Johann empört hervor. Der reiche Mann lachte. Es war ein irres, verrücktes Lachen, fast ein verzweifeltes.
„Ich habe den Glauben an Gott verloren. Man nahm mir meine Frau und mein Kind, bloß wegen meines Reichtums! Und jetzt nahm man mir auch noch meinen treusten Diener und einzigen Kameraden. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Wenn das der Preis für meinen Reichtum ist, so bedeutet er mir nichts mehr. Der letzte Wunsch meines treuen Dieners war, jener dich zu belohnen, also nimm den Schmuck und das Geld und lass mich allein, damit ich in Frieden sterben kann.“

Die traurigen Worte des verzweifelten Adeligen gingen Bauer Johann durch Mark und Bein. Trotz allem Unverständnis, das der reiche Mann über ihn gebracht hatte, trafen sie ihn mitten ins Herz. Des Adeligen Reichtum war für ihn selbst zum Fluch geworden. All die Jahre hatte der Bauer sein bescheidenes Leben verflucht und sich nach Reichtum gesehnt, doch hatte er dabei die Augen vor dem Glück, das ihm trotz seiner Armut vergönnt war, verschlossen: seine Frau, seine Kinder, das gemeinschaftliche Leben im Dorf. All die harte Arbeit, die er vollbrachte, verrichtete er für sie. Würden sie nicht mehr sein, dann würde sich diese ganze Arbeit nicht weiter lohnen und er sähe keinen tieferen Sinn mehr in seinem Leben. Genauso wie der edle Herr mit dem Verlust seines Bediensteten soeben den Sinn seines Lebens verloren hatte. Und als der Bauer dem Adeligen dabei zusah, wie er um seinen treuen Diener und Freund weinte, wimmernd am Boden lag und einen markerschütternden Schrei nach dem anderen von sich stieß, öffneten sich dem Bauern die Augen: Dieser eine Augenblick sollte die Einstellung des Bauern und somit sein gesamtes restliches Leben verändern. Tief in seinem Inneren regte sich etwas, ein vergessener Herzschlag, der  nun wieder an die Oberfläche emporstieg um dem Bauern zu bedeuten, dass das wahre Glück die ganze Zeit über an seiner Seite war.

Dankbarkeit lernen

Indem wir beklagen, was uns fehlt und uns auf den Mangel konzentrieren, verschließen wir die Augen oft vor dem, was wir bereits haben. Indem wir nach dem Glück suchen, übersehen wir oft, welches Glück unser Leben bereits erfüllt. Versuche Dankbarkeit zu verspüren, für das Glück, das dir bereits vergönnt ist – ohne dafür einen besonderen Grund zu benötigen. Lass negative, schmerzvolle und traurige Ereignisse nicht zum Anlass werden, um dich Dankbarkeit zu lehren. Versuche schon vorher dankbar zu sein und so wirst du nicht mehr nach dem Glück Ausschau halten müssen.

Wofür bist du heute dankbar? Liste fünf Dinge auf.   

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Wenn du möchtest, dann hänge diese Liste irgendwo dort hin, wo sie dir täglich ins Auge fällt, sodass du immer wieder an dein Glück erinnert wirst.

Deine Eva

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